Die sprachliche Klangfarbe der Podcasts ist mehrheitlich Deutsch, mit unterschiedlichen lokalen und fremden Klangfärbungen und zu zwei Drittel im Klangspektrum tief. Ein Podcast ist auf Slowenisch, vier sind auf Englisch und einer springt in Klang und Sprache zwischen Französisch und Deutsch hin und her.
Zwei Drittel aller Beiträge haben direkt mit Klangorten und Themen in Linz zu tun, da und dort wird über London, Berlin und Frankreich der Weg nach Linz gefunden.
Podcasts sind für Sounding Linz ein wichtiges Medium, weil sie ohne Bilder auskommen, ausschließlich durch den Klang der Sprache und Geräusche unterschiedliche Wahrnehmungsebenen ermöglichen. Sie entführen uns an Orte, die wir nicht kennen, uns aber schnell vertraut sind. Wir verlassen ortsungebunden die Welt des Sehens um zuzuhören. Manche Podcasts sind verortet zum Thema aufgenommen worden, manche in einem Studio, weil es die Zeit oder den Ort nicht mehr gibt. Die Themenauswahl ist breit, von sehr persönlich bis wissenschaftlich.
Auf einer Parkbank, einem konsumungebundenen Ort zwischen Wienerstraße und Wankmüllerhofstraße, untersuchen Florentina Hausknotz und Tom Latzel in „Bergson in der Wienerstraße, sozusagen“ den Ort basierend auf Theorien von Henri Lefebvre und Henri Bergson. Mit Blick auf den „Spinatbunker“, einer frühen Linzer Hochhauskonstruktion, wird das Ohr zum wissenschaftlichen Organ (Henri Lefebvre), gehen sie dabei dem Hören des Nichtfassbaren nach, der Stadtforschung nach Lefebvre, dem Stadt erkennen und der Zeitform Stadt nach Bergson. Mit „Favorite Sounds“ gestaltet Peter Cusack für die Bewohner*innen Londons ein Werkzeug, wo sie ihre Lieblingsklänge über Begriffe und Orte zu einem „Klangbild“ – einer Wordcloud – vereinen konnten, die sich durch die fortlaufende Erfassung über die Jahre stetig verändert. Die ungewohnte Fragestellung nach einem „favorite sound“ mit einem implizierten „why“ führte für viele zu neuen, ausschließlich klangbezogenen Wahrnehmungen. Sein Credo „listen carefully“ blieb lange als Loop im inneren Ohr des Autors hängen. Sam Auinger gestaltete für Radio Oberösterreich die „Radio Wolke Sounding Linz“, wo er lustvoll und akribisch offenlegt, wie die ganze Stadt zum „Instrument“ und Konzert-Raum wird und ihre Menschen zugleich Klangforscher, Akteure und Publikum sind. Auinger verdichtet in seinem Mix die Resultate eines mehrmonatigen Erkundungsprozesses vonSounding Linz und seinen hörbaren Qualitäten. Orte mit außergewöhnlicher Akustik wurden kartographiert und Programme dafür entwickelt, die bei der Klangwolke 2020 Sounding Linz im ganzen Linzer Stadtraum verteilt und von früh bis spät bespielt und erlebbar gemacht wurden.
Im Podcast „Volksgarten“ gehen Gabriela Gordillo, Sara Piñeros und maiz an einem der multikulturell, lebendigsten Orte in Linz, dem Volksgarten, der Frage nach, wie mit geschlossenen Augen die Klänge im Park wahrgenommen werden und ob damit auch Rückkoppellungen in die verlassene Heimat hergestelltwerden können. Christopher Hüttmannsberger führt uns an seinen akustischen Zufluchtsort, der eine laute Geborgenheit darstellt, der ab und wann in bunter Sprachmischung mit Freestyle Rap und Beatboxen angefüllt ist, aber auch mit Geräuschen aus der Bike Kitchen. „Der Harald-Renner-Platz vor der KAPU“, zwischen Natur und Verkehr eingebettet, ist aufgeladen mit dem „Klang der Vergangenheit die laut in die Gegenwart klingt“ (Sam Auinger).
In „Der Klang der 70iger“ hört sich Wolfgang Dorninger zurück in seine Teenagerzeit, in der er den Klang der Sprache als grau, autoritär, unfrei und reaktionär in seiner Erinnerung festhielt. Am Ende der 70iger wurde der Klang der Sprache in der Stadt bunter, er lernte die Sprache der Kunst kennen, sie später selbst sprechen und vernahm immer stärker den Klang einer entstehenden Kulturstadt. In dieses Umfeld migrierte Marie Le Pezennec Gahleitner aus Frankreich nach Linz. Jerneja Zavec, aus Slowenien kommend, befragt in „Marie Le Pezennec Gahleitner wohnt seit Jahren in Linz“ wie das Leben in Linz mit dem Wissen über das Hören als Mitarbeiterin der Hörstadt, des Akustikons und als Übersetzerin des Akustischen Manifests ins Französische am Bulgariplatz, einem Verkehrsknotenpunkt und unruhigen Ort, zu bewerten ist. Auch wenn ihr heimatliche Geräusche wie die des Meeres, der Boote und des Windes fehlen, ermöglicht ihr eine raffinierte Architektur ein entspanntes und schöpferisches Leben im privaten Wohnbereich.
Jerneja Zavec erinnert sich in slowenischer Sprache in „Memories of the Zoo“ an den Jahre zurückliegenden Familienausflug in den Linzer Zoo. Nicht in nur eigenen Worten, sondern in einer telefonischen Befragung ihrer Schwester und den Nichten nach den erlebten Geräuschen. Ihre Nichte Ana, die damals erst sechs Monate alt war, „erinnerte“ sich an brüllende Löwen, Elefanten und Rehe, aber sie war sich nicht ganz sicher, wie letztere klingen. Am Schluss erinnerten sich alle zumindest an Auto- und Tiergeräusche. Lukas Jakob Löcker dagegen ist in „Flea Markets, Cassette Culture & Mixtapes“ auf der Suche nach magnetisierten Erinnerungen auf Audiokassetten. Anstatt bespielter Tapes bekommt Löcker meist Fragen gestellt, wie „wieso noch immer Kassetten“, „wozu“ und „was er damit vor hat“. Als Kind der Mixtapes-Generation sind Tapes ein wesentliches Werkzeug seiner künstlerischen Praxis und politisch sieht er sich als Teil der Cassette Culture. Manfred Pilsz hat als Musikprofessor viele junge Menschen begleitet. In seinem Stammlokal dem Cafe Traxlmayr beantwortet er im Podcast „Mit Manfred Pilsz im Cafe Traxlmayr“ weit zurückblickend die Fragen seiner ehemaligen Schülerin Sara Trawöger mit Stolz im Tonfall, weil sie eine künstlerische Laufbahn eingeschlagen hat. Sie nehmen sich beide eine Minute Zeit um dem Klang des „Traxl“ zu lauschen. Viel zu kurz für Manfred Pilsz, dem in Linz mittlerweile sehr viele Klänge fehlen. „Die gedämpfte Wohligkeit im Kaffeehaus hat was“, schwärmt Pilsz, „ab und wann fangen die Gläser zum klirren an“ und „dort drüben höre ich den Klang einer Alt Stimme und dort einen Tenor, obwohl ich kein Wort verstehe“.
Udo Noll hat mit „Radio Aporee“ einen digitalen Raum für all jene geschaffen, die akustische Erinnerungen aus der ganzen Welt mit anderen teilen wollen. Schön, dass Udo Noll neben dem akustischen Speicher auch viel Wert auf sinnliche Anknüpfungspunkte legt, wo er uns mit einfachen Webinterfaces ermutigt, ortsbezogene Hörspiele oder akustische Fernreisen selbst zu gestalten. Noll will mit Radio Aporee dem Ortsverlust und dem Verlust der Zwischenräume entgegen wirken, Menschen zur Aufmerksamkeit für den Lebensraum über das Hören ermutigen.
Die Remise in Urfahr „ist eine akustische Zusammenkunft zweier Welten, eine Zusammenkunft der Masse und dem Individuum“ und „Akustisch eine Art Zwischenbereich“ an dem nichts „fehl am Platz wirkt“ so Christopher Hüttmannsberger in „Remise Landgutstraße (Alturfahr)“. Aufgewachsen in der Nähe sieht er den Verkehrsknotenpunkt als sanften Übergang vom Städtischen ins Ländliche, „ruhig, aber nie still“. An der Schnittstelle von innen nach außen verschmilzt das Kreischen der Schienen von Bergbahn, Straßenbahn und Mühlkreisbahn mit den Vogelklängen in den angrenzenden Gärten. In „Foucault in der Franckstraße“ führen uns Florentina Hausknotz und Tom Latzel an das Ende der Franckstraße, in die Zone eines Übergangs, wo sich die Stadt auflöst und über eine Brücke in die Zone der Industrie taucht, wo eine industrielle Magie stattfindet, die die Größe der jetzigen Stadt erst ermöglicht hat. Wir selbst brauchen auch Magie, „um das Chaos zu bewältigen“ und „es bedarf eine gewisse Form der Askese, um überhaupt zum Magier zu werden“, „aus einer Sorge um sich selbst“. Es geht um ein noch nicht vorhandenes, utopisches Selbst, das man laut Foucault nicht erdenken oder vordefinieren kann, sondern in der Praxis zu entwerfen ist. Wir treten somit als Magier in eine ständige Anpassung an das Leben ein.
Sam Auinger, katrinem, Gitti Vasicek und Wolfgang Dorninger besuchten Fritz Schwarz, den Abteilungsleiter des Botanischen Garten Linz, um ihn in den Handlungsraum von Sounding Linz einzuführen. In „Botanischer Garten – Im Gespräch mit Fritz Schwarz“ zog uns Fritz, geübt in Themenspaziergängen, thematischen Naturwanderungen am 1. Mai und unzähliger Gutachten hinein in „nichtgeplante“ Räume, Biotopkartierungen, Geländeführungen, Brachflächen und Gartengestaltungen um Ruhe in der Stadt, Wohlfühlqualität und Zugang zum Universum Natur zu schaffen. Der Klangspaziergang „Weg der Sinne“ von katrinem und Fritz Schwarz für Sounding Linz wird auch 2021 wieder angeboten, ganz im Sinne der von Fritz geforderten Nachhaltigkeit und der sinnlichen Annäherung zur Natur. In der Hauptfeuerwache der Linzer Berufsfeuerwehr traf Sam Auinger den Branddirektor der Stadt Linz Christian Puchner, nicht nur um die Klänge der Feuerwehr in die Partitur von Sounding Linz zu bekommen, sondern auch um detaillierte Erkenntnisse über das „Feuerwehrwesen in Linz“ zu sammeln. Vom dramaturgischen Leiter des Brucknerhauses Jan David Schmitz erfuhren wir auf dem Dach des Brucknerhauses, wie schwierig sich die „Programmplanung in Zeiten von COVID 19“ darstellte und wie unterschiedliche Klangkörper das Werk von Anton Bruckner subtil „verzerren“ können. Thomas Kerbel, Dirigent, Pianist, Universitätsprofessor und Studiendekan für künstlerische Studien an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz schafft in „Thomas Kerbl über Joseph Laska (1886-1964)“ von Jerneja Zavec einen fast poetischen Zugang zum in Linz geborenen Komponisten Joseph Laska, dessen abenteuerliches Leben und kompositorisches Wirken in Linz weniger bekannt als in Japan ist, wo er während seiner 12-jährigen Tätigkeit in den Städten Kobe und Takarazuka ein Symphonieorchester mit professionellen Musikern gegründet hat und in den Jahren 1931 bis 1935 unter anderem die Symphonien Anton Bruckners in Japan zur Erstaufführung brachte. Zurück in Wien wurde Joseph Laska von der Gestapo mehrfach verhört, dann als Pianist auf eine Balkantournee geschickt und 1942 wegen feindlicher Propagandatätigkeit und Hochverrat zu fünf Jahren Gefängnis und Aberkennung der Bürgerrechte verurteilt. Im Podcast „Glocken“ erfährt Sam Auinger von Siegfried Adlberger, er ist von Beruf Orgelbaumeister und Orgelreferent der Diözese Linz und zuständig für deren Glocken und Orgeln, dass Linz einmal eine „heimliche“ Hauptstadt des Glockenbaus war.
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Wolfgang Dorninger ist Musiker, Sound Designer, vertont Theaterstücke und arbeitet im Bereich Sound Art.
2020 wurde Wolfgang Dorninger Kulturpreisträger 2020 der Stadt Linz im Bereich Medien-, Produkt- und Kommunikationsdesign.
soundinglinz.at ist ein Projekt des Co.Lab Akustische Ökologie der Kunstuniversität Linz.